Industrie 4.0

Stufenmodell – Industrie 4.0 ganz konkret

Viele Industrie 4.0-Studien prognostizieren Produktivitätssteigerungen zwischen 15 und 30 %. Dabei geht Industrie 4.0 sowohl von einer deutlich höheren Automatisierung und von flexibleren Fertigungsabläufen aus, als auch von einer umfassenden Vernetzung aller beteiligten Ressourcen und Systeme innerhalb der Fertigung. Im Interview erklärt Jochen Schumacher, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Perfect Production GmbH, das eigene Industrie 4.0-Stufenmodel, welches den Weg zur schlanken und vernetzten Produktion aufzeigt.
Herr Schumacher, was bezwecken Sie mit dem neuen Stufenmodell?
Wir werden häufig von Unternehmern gefragt, wie man sich heute schon auf Industrie 4.0 vorbereiten kann. Mit dem Modell wollen wir den Weg zu Industrie 4.0 konkreter beschreiben und vor allem messbar machen. Das Stufenmodell soll außerdem zeigen, dass es nicht ausreicht nur netzwerkfähige Maschinen und Sensoren einzuführen um Industrie 4.0 umzusetzen.
Wie sieht dieses Modell konkret aus?
Wir haben den Weg zur Industrie 4.0 in die Stufen 0 bis 4 eingeteilt. Auf jeder dieser Stufen gehen wir von einem definierten Zustand folgender drei Kriterien aus: die Organisation der Prozesse, die IT-Unterstützung sowie die Veränderungsbereitschaft und Qualifikation der Mitarbeiter.
Auf Stufe 0 – also ganz unten – gehen wir von recht instabilen Produktionsprozessen mit hohen Beständen und langen Durchlaufzeiten aus. Häufig verfügen Unternehmen auf dieser Stufe über „nicht optimal“ genutzte ERP-Systeme mit vielen ergänzenden IT-Insellösungen. Die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter ist gering. Die Produktionsprozesse lassen sich nun von Stufe zu Stufe sukzessive optimieren. Nach einer Stabilisierung der Prozesse (Stufe 1) wird die Produktion segmentiert, um die Vorteile einer Fließfertigung bei gleichzeitiger Flexibilität zu erhalten (Stufe 2). Eine weitere Steigerung ist die optimale Integration von Lieferanten und Kunden (Stufe 3), bevor dann die Industrie 4.0-Stufe erreicht werden kann.
Soviel zur Produktion. Wie sieht das bei der dazugehörigen IT aus?
Durch die Integration von MES-Basismodulen, wie BDE (Betriebsdaten) und MDE (Maschinendaten), können bereits auf Stufe 1 erste Daten in Echtzeit erfasst und aussagefähige Kennzahlen berechnet werden. Durch ein CAQ-Modul (Computer Aided Quality) kann zudem die Qualität sichergestellt werden. Auf Stufe 2 lassen sich durch eine MES-basierte Feinplanung die Transparenz und Reaktionsfähigkeit der Produktion erheblich steigern und damit die Ressourcen besser nutzen. Stufe 3 sieht dann die komplette horizontale und vertikale Integration der IT in der Produktion vor. Damit sind Planung, Produktion und unterstützende Prozesse (z. B. Werkzeugbau) optimal miteinander verzahnt.
Wie kann man Stufe 4 erreichen?
Um die Stufe 4 – also Industrie 4.0 – zu erreichen, sollten zunächst die Voraussetzungen durch das Durchlaufen der vorherigen Stufen 1 bis 3 geschaffen werden. Von hier aus können Fertigungsunternehmen systematisch in Industrie 4.0 hineinwachsen. Während sich viele Unternehmen bei der Wertstromanalyse hauptsächlich auf den Herstellprozess und den Materialfluss konzentrieren, ist es für Industrie 4.0 notwendig, zudem einen besonderen Fokus auf die Informations- und Planungsabläufe sowie auf die IT-Unterstützung zu legen. Nur so können zielführende Maßnahmen zur Erreichung höherer Stufen der Organisation der Prozesse sowie der IT-Unterstützung festgelegt werden.
Und was bringt das Stufenmodell einem Fertigungsunternehmen?
Anhand dieses Models kann jedes Unternehmen feststellen, auf welcher Stufe es sich befindet – hinsichtlich der Produktionsprozesse, der IT sowie der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter. Davon abhängig lassen sich die groben Maßnahmen zur Erreichung der nächsten Stufe erkennen.
Was empfehlen Sie Unternehmen auf dem Weg zur Industrie 4.0? Wo soll man beginnen?
Am besten mit einer Status-Quo Analyse. Innerhalb weniger Tage kann so ein Überblick über die aktuellen Produktionsabläufe und IT-Systeme geschaffen werden. Wichtig ist dabei, das gesamte Wechselspiel zwischen den einzelnen Prozessschritten, den Planungs- und Informationsabläufen sowie den Unterstützungsprozessen zu verstehen. Eine Status-Quo Analyse bietet zudem die Basis zur Einordnung in das Industrie 4.0-Stufenmodel und zeigt somit das vorhandene Potenzial auf – bei den Prozessen und bei der IT.

„Mit unserem Stufenmodell kann jedes Unternehmen feststellen, wo es hinsichtlich der Produktionsprozesse, der IT sowie der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter steht.“
Zur Person:
Jochen Schumacher, Dipl.-Ing., Dipl.-Wirt.-Ing. (FH), studierte Elektrotechnik und Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Regelungstechnik und Fertigungsmanagement.
Er ist Geschäftsführer der Perfect Production GmbH, einer Unternehmensberatung für produzierende Unternehmen (www.perfect-production.de). Der Beratungsansatz liegt in einer optimalen Kombination von Lean Production-Methoden mit modernen IT-Lösungen.